Du kennst bestimmt diese Männer: Können nie „Tschüss“ sagen – der wahre Grund ist berührend

Warum Männer oft Schwierigkeiten haben, „Gute Nacht“ zu sagen – und was das über ihre Emotionen verrät

Die Szene ist allzu bekannt: Der Gruppenchat geht bis spät in die Nacht, jemand kündigt das Schlafengehen an – doch ein verzögerter Abschied beginnt durch eine Flut von Nachrichten, Nachfragen und letzten Kommentaren. Besonders in Männergruppen ist dieses Verhalten ausgeprägt. Was auf den ersten Blick wie ein simpler Chatabschluss wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Spiegel tiefere emotionaler und sozialer Dynamiken.

Diese scheinbare Unfähigkeit zum Abschied ist kein Resultat von Faulheit oder Unentschlossenheit. Vielmehr verbirgt sich dahinter weniger technische Aspekte, sondern tiefere psychologische, soziale und emotionale Bedürfnisse.

Geselligkeit als soziales Sicherheitsnetz

In der psychologischen Forschung ist bekannt, dass Männer Gruppenrituale verstärkt nutzen, um emotionale Nähe zu erzeugen – ohne diese direkt ausdrücken zu müssen. Ein gesellschaftlich geprägtes Rollenverständnis ist oft der Grund: Gefühle sollen kontrolliert und Verletzlichkeit vermieden werden.

Der Begriff „normative männliche Alexithymie“, geprägt von Ronald F. Levant, beschreibt dieses Phänomen: Viele Männer haben durch ihre Sozialisation Schwierigkeiten, Emotionen zu erkennen und auszudrücken. Sozialisierte Rituale, wie ausgedehnte Verabschiedungen, dienen als Ersatz für offene Zuneigung.

Dass Männer seltener enge Freundschaften pflegen als Frauen, ist durch zahlreiche Studien belegt. Dadurch wird der emotionale Wert jeder sozialen Interaktion verstärkt – selbst vermeintlich banale Abschiede gewinnen an Bedeutung.

Abschiede als moderne Rituale

Seit jeher sind Rituale ein zentrales Mittel menschlicher Gemeinschaften zur Pflege sozialer Bindungen. In Männergruppen sind sie oft ein Mittel, um Vertrauen, Loyalität und Gruppenzugehörigkeit zu sichern. Abschiede markierten Grenzen, vor der Jagd oder anderen bedeutenden Unternehmungen, und gewannen symbolischen Wert.

Auch im mittelalterlichen Europa hatten Verabschiedungen in Zünften eine tiefere Bedeutung – sie waren ein Teil der Gruppenkultur und dienten der Statussicherung. Diese historischen Wurzeln zeigen sich auch heute noch – wenn auch in abgewandelten, digitalen Formen.

Emotionen im digitalen Raum

Digitale Kommunikation fehlt oft die nonverbale Tiefe, die normalerweise Nähe schafft. Neue Rituale entstehen: Ironische Emojis, running Gags, wiederholte Abschiedsformeln. Gerade Männer nutzen diesen digitalen Raum, um ein Gefühl von Zugehörigkeit zu kultivieren – auch wenn das über 20 Nachrichten beim „Tschüss sagen“ geschieht.

Psychologische Studien zeigen, dass fehlende emotionale Tiefe digital kompensiert wird – durch stilisierte Sprache, Humor und Wiederholung. Besonders wenn gesellschaftliche Kontakte fehlen, wird virtueller Austausch intensiver gepflegt.

Warum endet es nie bei „Einer noch?“

Ob beim Bier in der Kneipe oder beim letzten Chatwitz – die stets wiederkehrende Frage „Einer noch?“ hat tiefere Ursachen. Drei psychologische Faktoren spielen dabei eine wesentliche Rolle:

  • Die Angst vor der Einsamkeit: Männer geben häufiger zu, sich sozial isoliert zu fühlen, besonders im mittleren Erwachsenenalter. Der Abschied aus einer lebhaften Runde kann sich wie ein Schritt ins Ungewisse anfühlen.
  • Das Streben nach Kontrolle: Verabschiedungen bedeuten Kontrollverlust. Viele Männer empfinden das Ende eines geselligen Austauschs als bedrohlich und dehnen ihn unbewusst aus, um Kontrolle zurückzugewinnen.
  • Die Furcht, etwas zu verpassen: „Fear of Missing Out“ betrifft Männer besonders stark in Bezug auf Peergroups. Der soziale Druck „dabei“ zu sein, hält Gespräche am Laufen – selbst bei fortgeschrittener Müdigkeit.

Generationen und Abschiedskultur

Unterschiede im Verabschiedungsverhalten werden auch zwischen Generationen deutlich. Jüngere, insbesondere die Generation Z, kommunizieren häufig kürzer, direkter und digital effizienter. Emotionale Tiefe bleibt dabei nicht zwangsläufig aus, sie findet in neuen Formen und Codes statt.

Ältere Generationen pflegen ritualisierte Kommunikationswege – inklusive ausführlicher Verabschiedungen. Diese Unterschiede spiegeln keine Gleichgültigkeit wider, sondern eine sich wandelnde Kommunikationskultur.

Wenn der Alkohol mitredet

Ein Glas Bier oder Wein verändert die Abschiedsdynamik erheblich. Alkohol wirkt enthemmend und erleichtert den emotionalen Ausdruck. In diesem Zustand fällt es Männern leichter, Dinge wie „Schön, dass wir uns haben“ auszusprechen, gleichzeitig fällt es schwerer, letztendlich nach Hause zu gehen.

Die emotionale Komponente von Abschieden wird durch Alkohol verstärkt – nicht messbar, aber in ihrer subjektiven Wirkung spürbar. Viele kennen die langen Nächte, die nie enden wollen.

Welche Verabschiedungstypen es gibt

In der Populärpsychologie lassen sich einige Verabschiedungstypen unterscheiden, auch wenn es keine wissenschaftlichen Kategorien gibt:

Der Marathonverabschieder

Dieser Typ braucht lange, verabschiedet sich wiederholt und hängt emotional an der Gruppe. Sein Verhalten deutet auf ein starkes Bedürfnis nach Verbindung hin – verbunden mit Abschiedsschwierigkeiten.

Der Geistverabschieder

Dieser Typ kündigt seinen Abschied an, verschwindet dann aber wortlos. Er vermeidet emotionale Konfrontationen und aufgeladene Situationen.

Der Ritualverabschieder

Dieser Typ hat feste Formulierungen und kleine Codes, die jede Verabschiedung begleiten. Das bietet Struktur und Sicherheit – für ihn und sein Umfeld.

Verabschiedung als Bindungsarbeit

Soziale Rituale sind kein antiquiertes Überbleibsel – sie tragen zur psychischen Gesundheit bei. Psychologen wie Susan Pinker betonen, wie wichtig stabile soziale Beziehungen für das Wohlbefinden sind. Besonders für Männer, die häufig emotional zurückhaltend aufwachsen, können Abschiedsrituale ein Ankerpunkt gelebter Nähe sein.

So gelingt ein gesunder Abschied

Möchtest du dein eigenes Verabschiedungsverhalten reflektieren, könnten diese Strategien hilfreich sein:

  • Bewusstsein schaffen: Achte darauf, wie und warum du dich verabschiedest.
  • Gefühle klar benennen: Anstatt Emotionen zu umschreiben, sag direkt und ehrlich, was du meinst.
  • Rituale pflegen: Wiederkehrende Abschiedsformen können Halt geben und den Übergang erleichtern.
  • Verbindungen pflegen: Regelmäßiger persönlicher Kontakt reduziert den Druck auf einzelne Abschiede.

Mehr als ein Emoticon zum Abschluss

Verabschiedungen erscheinen banal – doch sie erzählen viel über Nähe und emotionale Gewohnheiten. Wenn Männer sich Zeit nehmen, „Gute Nacht“ zu sagen, ist das kein Zeichen von Schwäche oder Unentschlossenheit, sondern Ausdruck von Beziehungspflege auf ihre eigene Art.

In einer Welt, die immer digitaler, schneller und unverbindlicher wird, ist jede authentische Verbindung wertvoll. Selbst wenn sie sich in einem verschmitzten „Okay, jetzt aber wirklich!“ manifestiert.

Was verrät dein Chatabschied über dich?
Ich bin Marathonverabschieder
Ich ghoste meistens heimlich
Ich liebe Abschiedsrituale
Ich gehe ohne Drama
Kommt auf den Alkoholpegel an

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